28.10.09

Bremen: War der SPD-Mann Jürgen Pohlmann kommunistischer Partisanenkämpfer?

Gut, ich habe mich offensichtlich geirrt. Als vor einigen Monaten der Berliner Vorsitzende des Humanistischen Verbandes Deutschlands Bruno Osuch wegen der angeblichen Mitgliedschaft in der DKP-Militärorganisation "Gruppe Ralf Forster" öffentlich angegriffen wurde und in diesem Zusammenhang auch von einem "Betriebsrat in Bremen und einem Funktionär der Linkspartei" als möglichen Ex-Guerilla-Kämpfern die Rede war, prophezeite ich das "Platzen der Bombe im Wahlkampf". Das ist nicht passiert. Sondern die Enthüllung kam erst gestern Abend und bezieht sich auf einen SPD-Funktionär, nicht auf einen Politiker der Linken.

Die Recherchen von Radio Bremen bei der Stasi-Unterlagenbehörde gegen den sozialdemokratischen Bürgerschaftsabgeordneten Jürgen Pohlmann haben offensichtlich etwas länger gedauert. Aber nun wird er - zumindest unterschwellig - beschuldigt, der kommunistischen Untergrundorganisation während der Zeiten des Kalten Krieges angehört zu haben. Diese "Gruppe Ralf Forster", die in den neuen Unterlagen aus Berlin auch "Gruppe Aktion" genannt wird, spielt bekanntlich auch in meinem Politthriller "Aktion Störtebeker" eine Rolle.
Wie Recherchen von Radio Bremen nun zeigen, sind auch mehrere Bremer DKP-Kader bei der Truppe gewesen – vermutlich einschließlich eines Landtagsabgeordneten,
verkündete der ARD-Sender gestern. Um allerdings dann gleich einzuräumen:

Die Akten der Stasi-Unterlagenbehörde belegen zwar, dass Pohlmann Kontakt zu der "Gruppe Aktion" hatte. In welcher Funktion, ist offen. Hinweise, dass er tatsächlich zum Kämpfer ausgebildet wurde, gibt es nicht.
Also - wie seinerzeit schon bei Dr. Bruno Osuch - eine ziemlich an den Haaren herbeigezogene Geschichte. Belegt durch Unterlagen aus der Birthler-Behörde, die nur auf einen speziell avisierten Grenzübertritt Pohlmanns im November 1987 hinweisen. Was aber nicht so stark verwunderlich ist, weil der heutige SPD-Abgeordnete vor über 20 Jahren DKP-Funktionär in Bremen war und als Sekretär für Organisations- und Personalfragen wohl öfters in der DDR zu tun hatte. Dabei sollte er sicher nicht durch die üblichen peniblen Grenzkontrollen belästigt werden.

Interessant wäre in diesem Zusammenhang zu erfahren, wer die anderen Mitreisenden auf dieser Liste waren? Denn deren Namen sind in dem von dem ARD-Sender veröffentlichten Stasi-Dokument geschwärzt. Dass es sich, wie der Radio Bremen-Bericht suggeriert, um ein "Mitgliederverzeichnis der Gruppe Ralf Forster" handelt, erscheint äußerst unwahrscheinlich.


Weil das auch dem Autor klar zu sein scheint, baut er schon einmal eine Rückzugslinie auf:
Denkbar ist also, dass Pohlmann sich nicht selbst zum Kämpfer hat ausbilden lassen. Dass er aber genau im Bild war über die Gruppe "Ralf Forster" scheint sicher.
Ja, was den nun? Vielleicht geht es auch nur darum, einen unliebsamen SPD-Politiker öffentlich zu demontieren. Jürgen Pohlmann bestreitet die Vorwürfe energisch und immerhin hat sich auch seine Fraktion heute hinter ihn gestellt.

Den Rechercheuren von Radio Bremen muss man zu Gute halten, dass sie - im Gegensatz zu ihren MDR-Kollegen vor einiger Zeit - tatsächlich ein paar neue Informationen zur "Gruppe Ralf Forster" zu Tage gefördert haben.
Darunter einen Brief von deren Chef Harry Schmitt ("Ralf Forster") an den DDR-Staatsicherheitsminister Erich Mielke, in dem die Ausbildungskonzeption für die Partisanentrainings vorgestellt wird.

Und eine Einkaufsliste für den Sprengstoffunterricht im Jahr 1978. Neben diversen Chemikalien aus dem Westen forderte Schmitt darin mehrere Tuben Pattex und das "Kochbuch der Anarchisten" an. Offensichtlich wollte man auch bei der politischen Konkurrenz lernen, wie man richtig sprengt.

Kleiner Nachtrag: Während in Bremen die Staatsanwaltschaft ein Vorermittlungsverfahren gegen Jürgen Pohlmann eingeleitet hat (die inzwischen strafbare "Ausbildung in einem ausländischen Terrorlager" kann ja gegenüber der DDR wohl kaum verfolgt werden),
hat heute das Landgericht Berlin der Klage von Bruno Osuch gegen die verleumderischen Artikel in „Die Welt" und „Berliner Morgenpost" in vollem Umfange stattgegeben.