13.04.09

LINKE-Funktionär als bewaffneter Kämpfer im Westen? Wann platzt die Wahlkampfbombe?

Die Auseinandersetzung um den Pro Reli-Volksentscheid in Berlin habe ich bisher nur am Rande registriert. Bis ich vorhin beim Frühstück in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) auf den Artikel "Der Humanist und die Stasi" gestoßen bin. 

Dieser bunt zusammengerührte Beitrag dürfte den vorläufigen Höhepunkt des Kesseltreibens gegen den Berliner Landesvorsitzenden des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) Dr. Bruno Osuch darstellen, der sich seit Jahren für einen Ethik-Unterricht an den Schulen der Bundeshauptstadt stark macht. Das heutige SPD-Mitglied - so der Vorwurf - soll in den siebziger und achtziger Jahren Mitglied der "Gruppe Ralf Forster" gewesen sein, die sich als bewaffneter Arm der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) auf den Guerillakampf in der Bundesrepublik vorbereitete. 

Neben der FAS haben auch diverse andere Medien über die Vorwürfe berichtet. In seinem Blog stellt Jürgen Winkler dazu fest: "Die Akten liegen seit 20 Jahren im Archiv. Nun scheint der Anlass günstig, sie an die Redaktionen zu verteilen. Wieviel Prozent der Vorwürfe gegen Osuch Wahrheit und wieviel Lüge sind, wird man vor dem Volksentscheid nicht mehr erfahren. Das ist gewollt. Der HVD soll abgeschossen werden, weil er wesentlich in die Pro-Ethik-Kampagne eingebunden ist."

Das Kalkül der Kampagne, die mit Hilfe der Birthler-Behörde inszeniert wird, so Winkler: "Pro Ethik = Pro Stasi. Und unterschwellig: Ethiklehrer = Stasilehrer."

In einer 153 Seiten starken Dokumentensammlung der Birthler-Behörde, die den Medien zugespielt wurde und die offensichtlich auch die Kaderunterlagen des Betroffenen enthält, ist Dr. Osuch auf Aktenvorgängen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zur "Gruppe Ralf Forster" erfasst. In einem Vermerk vom 2. Juni 1978 wird er angeblich mit drei weiteren DKP-Funktionären als "erfasste Person im Sicherungsvorgang MfS XV/3646/72" genannt. Hinter dieser Registriernummer verbirgt sich laut der Behörde die DKP-Militärorganisation. "Der Einsatz der Genannten zur Lösung spezieller Aufgaben erfolgt kurzfristig", soll darunter Major Kurt Bläsing von der Arbeitsgruppe Minister/Sonderaufgaben der Staatssicherheit (AGM/S) vermerkt haben. Diese Truppe leistete unter anderem auch die logistische Unterstützung für die Ausbildung der westdeutschen Partisanen.

Der HVD-Landesvorsitzende hat inzwischen in einer eidesstattlichen Erklärung eine Mitgliedschaft in der DKP-Militärorganisation (MO) und Kontakte zum MfS zurückgewiesen. Unstrittig ist allerdings, dass Bruno Osuch 1971 aktives Mitglied der DKP im mittelhessischen Gießen war. Im Sommer 1980 zog er nach West-Berlin, um in der 4. Oberschule Neukölln eine Stelle als Lehrer für Mathematik und Gesellschaftskunde anzutreten. Er wurde Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei West-Berlins (SEW), aus der er im September 1985 wegen ideologischer Differenzen und persönlicher Enttäuschung wieder austrat.

Unabhängig von dem offenkundigen Zweck des "überraschend aufgetauchten" Dokuments der Birthler-Behörde in der aktuellen Auseinandersetzung um den Pro Reli-Volksent-scheid in Berlin, enthält der FAS-Artikel von gestern noch eine interessante Passage zu den zusammen mit Dr. Osuch in der Stasi-Akte erfassten DKP-Mitgliedern: "Einer der drei ist heute Betriebsrat in Bremen, ein anderer Funktionär der Linkspartei". Man kann Wetten abschließen, wann deren Namen in der Öffentlichkeit auftauchen werden. Medien und politische Gegner warten nur noch auf einen geeigneten Moment im Wahlkampf.