15.06.10

Anschlag auf Polizisten: Vorwand zur Kriminalisierung von Protesten?

Am vergangenen Samstag wurde während der Demonstration „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ in Berlin ein Sprengkörper gegen Polizisten geworfen. Dabei wurden mehrere Polizeibeamte verletzt. Zwei Beamte so schwer, dass vor Ort eine Notoperation eingeleitet werden musste.

Ich teile hierzu die Position von Frank Tempel, den ich bei den Recherchen für den Politkrimi "Aktion Störtebeker" kennengelernt habe. Der Thüringer Linken-Politiker  und Kriminaloberkommissar a. D. ist inzwischen Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Innenausschuss. In einer Erklärung verurteilte den Anschlag auf das Schärfste: "Polizisten und ihre Familien sind für die Sozialkürzungen in diesem Lande nicht verantwortlich, sondern Betroffene. Der Anschlag spielt denen in die Hände, die sozialen Protest kriminalisieren wollen. Berechtigte Kritik wird ins Unrecht gerückt, Bürgerinnen und Bürger von Protest abgehalten und Bündnisse gegen Sozialabbau gespalten. Gruppen, die Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung einsetzen und Menschenleben gefährden, sind keine Bündnispartner der LINKEN".

Das ist klar und eindeutig. Zu dem bei dem Anschlag verwendeten Sprengkörper spekuliert wieder mal die Berliner Sicherheitsfirma PAN AMP AG: "Bereits am Sonntag analysierten Experten, unter Ihnen Gutachter und militärisch ausgebildete Sprengspezialisten, das per Internet verbreitete Video zum Anschlag auf die Berliner Polizei vom 12.06.2010. Es besteht kein Zweifel, dass es sich bei dem aufsteigendem weißen Rauch in der Sekunde 32 des Videos um die Rauchwirkung eines selbstgebauten Initialzünders handelt. Die ersichtliche Aufstiegsgeschwindigkeit und die Farbe der Rauchwolke, nach der in der Sekunde 33 der Sekundärsprengstoff zündet, und die ersichtliche Druckwelle, die Splitter der Bombe lebensgefährlich beschleunigt, bestätigen die Ersteinschätzung: Es handelt sich um eine selbstgebaute Splitterbombe. Der Typ basiert auf zwei Anleitungen eines Berliner Internet-Forums, dass sich insbesondere mit der Herstellung von Zündern und Sprengstoffen beschäftigt. Unter Experten gilt das Internet-Forum eines jungen Berliner Linksextremisten bereits seit 2008 als eine der gefährlichsten Ansammlungen von Sprengstoff- und Bombenbauanleitungen im europäischen Internet." 

Und natürlich fordern die selbsternannten Sicherheitswächter die sofortige Schließung dieses Online-Forums. So wie es übrigens inzwischen allen Internetseiten auf www.projektwerkstatt.de ergangen ist. Dort waren die Sabotageanleitungen der "Prisma-Broschüre" archiviert. Die Staatsmacht reagierte massiv: Der gesamte Domainbereich musste vor wenigen Tagen auf Gerichtsanordnung abgeschaltet werden, alle Daten über Verbindungen beim Provider wurden von der Polizei gesichtert und sämtliche Computer und Festplatten des Seiteninhabers im Rahmen einer Hausdurchsuchung in Berlin beschlagnahmt. Damit steht die politische Internetplattform einer Vielzahl von beteiligten Gruppen nicht mehr zur Verfügung. Und für was die Sicherheitsorgane die beschlagnahmten Daten nutzen, dürfte auch klar sein.

Nachtrag: Aus der "Splitterbombe" ist inzwischen ein "polnischer Böller" geworden (was allerdings an den Verletzungen der Polizisten nichts ändert)

05.06.10

Prisma: Professionelle Anleitung zur Sabotage

Ganz aufgeregt meldet die Online-Ausgabe eines großen deutschen Nachrichtenmagazins heute: "Die deutschen Sicherheitsbehörden sind besorgt: Nach SPIEGEL-Informationen kursiert in der linken Szene eine Broschüre, die akribisch und professionell Tipps für Brandanschläge und Sabotageaktionen auflistet." Das sei eine neue Qualität, wird ein Verfassungsschützer zitiert.

Denn die anonymen Verfasser beschreiben in der 80-seitigen Broschüre "unter anderem mehrere Brandsätze mit Zeitzündern, Hakenkrallen, mit denen Züge der Bahn zum Halten gebracht werden, und Techniken zum Umsägen von Strommasten." In mehreren Kapiteln - so Spiegel Online - "widmen sich die Autoren zudem den Ermittlungsmethoden der Polizei und listen detailliert auf, wie man Spuren vermeidet und Observanten abschüttelt."

Nun wird man spätestens seit der Lektüre von "Aktion Störtebeker" wissen, dass ich keine Sympathie für gewaltsame Aktionen habe. Auch wenn es in diesem Politkrimi um einen Sprengstoffanschlag auf die Rügenbrücke geht. Trotzdem hat mich diese Broschüre, gegen die von der Berliner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und beim Amtsgericht Tiergarten eine Beschlagnahmeanordnung erwirkt wurde, natürlich interessiert. Und siehe da: In den Weiten des World Wide Web wird man fündig. Da hilft auch keine Beschlagnahme von gedruckten Exemplaren. Hier die Links zu einzelnen Kapiteln:


Das Ganze ist sehr professionell aufgezogen, geht sehr in technische Details und erinnert an das "Freedom's Fighters Manual" der CIA oder "Der totale Widerstand - das Schweizer Unteroffiziershandbuch", in denen ebenfalls sehr detaillierte Sabotageanleitungen gegeben werden. Ob da auch die Berliner Staatsanwaltschaft dagegen ermittelt? 

NACHTRAG: Die Links zur Broschüre sind inzwischen tot, weil die gesamte Domain auf Gerichtsanordnung geschlossen werden musste.