07.09.09

Frau Merkel und die verschwundenen Fischer von Lobbe

Am vergangenen Sonnabend nutzte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Wahlkampfauftritt in Stralsund für einen kurzen Abstecher über die Rügenbrücke auf Deutschlands größte Insel. Zurück zu den Wurzeln. Nein, nicht an die ehemalige NVA-Offiziershochschule "Otto Winzer" in Prora, wo ihre Politkarriere begonnen hatte. Sondern zurück in die Fischerhütte nach Lobbe, wo vor genau 19 Jahren ein denkwürdiges Bild entstanden ist. Das Foto "Die kommende Bundeskanzlerin spricht mit werktätigen Fischern" ist inzwischen sogar als Wandteppich erhältlich.

Am späten Samstagabend twitterte dann die Ostsee-Zeitung einen Link zu einem Bericht über das Wiedersehen nach fast 20 Jahren. Mit durchaus kritischen Untertönen. Sinngemäß so: "Schon damals versprach Angela Merkel viel - passiert ist nichts" und "Heute machte sie wieder Versprechungen". Als ich gestern dazu etwas bloggen wollte, war der Artikel verschwunden. Und ich hatte mir keine Kopie gemacht. Also musste ich warten, bis heute morgen die Ostsee-Zeitung im Briefkasten war.

Und siehe da. Unter der Überschrift "Kanzlerin trifft Fischer" steht da über das damalige Treffen zu lesen: "Sie hatten zwar Sorgen, aber die Hoffnung auf Besserung saß ihnen an einem Wintertag gegenüber." Und "Die Frau kandidierte zum ersten Mal für den Bundestag, hörte sich in dem kleinen Schuppen direkt hinter der Düne, zwischen all den Netzen, die Nöte der Fischer an und versprach zu helfen."

Was dann geschah, ist inzwischen Geschichte. Von den 123 Mann, die zu DDR-Zeiten in der Fischproduktionsgenossenschaft Mönchgut arbeiteten, sind nur noch 16 übrig. Und es werden immer weniger, im nächsten Jahr - das ist schon absehbar - hat die Gager Fischereigenossenschaft nur noch 12 Mitglieder. Schuld sind die Kürzungen bei den Heringsfangquoten, die ein finanzielles Auskommen zum Überleben unmöglich machen. Zaghaft merkt die Ostsee-Zeitung heute an: "Aus der Politik haben die Fischer in den schwierigen Jahren nach der Wende keine Unterstützung erhalten. Auch nicht von der jungen Kandidatin Merkel."

So ganz kann das Lokalblatt, dass auf der Insel ja seine Leser bei der Stange halten muss, die Kritik der Fischer nicht unter den Tisch fallen lassen (auch wenn offensichtlich die erste Fassung des Textes etwas "geglättet" wurde) und zitiert den Vorsitzenden der Fischereigenossenschaft: "Wenn sie damals das getan hätte, was sie versprochen hatte, dann wären wir vielleicht immer noch Fischer." Aber insgesamt - so der Tenor in der neuen Fassung des Berichts, der so klingt, als hätten die PR-Strategen der Bundeskanzlerin daran mitgewirkt - war die Stimmung bei dem kurzen Treffen "dennoch freundschaftlich" und die Kanzlerin hörte sich aufmerksam "erneut die Sorgen eines ganzen Berufsstandes" an.

Nur tun wird sie vermutlich wieder nichts. Der Fischer Hans-Joachim Bull, der auf dem Bild von 1990 hinten links kaum zu sehen ist und nach dem Besuch des jungen Politstars sogar in die CDU eintrat, brachte die Stimmung vor Ort - laut Ostsee-Zeitung - am Sonnabend auf den Punkt, als er die neuen Hilfsversprechen von Angela Merkel so kommentierte: "Diesmal sollte sie sich aber keine 19 Jahre Zeit lassen, dann gibt es nämlich keine Fischer mehr bei uns."