Nein, bei mir ist nicht - wie beim Autoren dieses Berichtes in der Welt "die Ostalgie in Entsetzen umgeschlagen". Eher in Langeweile. Unter dem etwas eigenartigen Titel "20 Jahre Mauerfall: Auf den Spuren von Ferien, Fisch & FKK" (Hier der PDF-Flyer) hat die Tourismuszentrale Rügen eine eintägige Bustour über die Insel entwickelt und groß angekündigt:
Gemäß dem Motto „sag mir wie es damals war, zeig mir wie es heute ist“ erfahren interessierte Urlauber, wo einst die Politprominenz der DDR residierte, wo FDGB-Urlauber – wenn sie viel Glück hatten – ihren Jahresurlaub verbrachten, wie es in Sassnitz, einem der größten Fischerei- und Handelshäfen der DDR, zuging und wie am Kap Arkona die „Seegrenze“ des sozialistischen deutschen Staates überwacht wurde.
Klingt ja ganz interessant und ich wollte schon immer mal dran teilnehmen. Gestern - bei der in dieser Saison vermutlich letzten - Erinnerungstour habe ich es nun endlich geschafft. Mit sieben zahlenden Teilnehmern zählte sie sogar zu den besser besuchten. Viele der seit Juni wöchentlich angebotenen Fahrten sind wohl mangels Interesse sogar ganz ausgefallen. Dabei gab es jede Menge Presseberichte dazu.
Los ging es am Morgen im Cliff Hotel in Sellin – früher als "Erholungsheim Baabe" eine Einrichtung des ZK der SED, in dem vor allem führende Funktionäre von Bruderparteien aus aller Welt ihren Urlaub verbrachten. Egon Krenz soll auch öfters dagewesen sein. Erich Honecker dagegen nur einmal, als er seine Frau Margot hier absetzte. Wir landeten zunächst in der ehemaligen Mitarbeiterkantine, die nach der Wende als Abstellkammer zweckentfremdet und erst vor ein paar Monaten entrümpelt wurde. Was den Vorteil hatte, dass die Originaleinrichtung erhalten ist und der Raum sogar noch immer nach DDR riecht.
Auch der berühmte "Bonzen-Aufzug" (den Kommissar Bratfisch in "Aktion Störtebeker" als junger Volkspolizist einmal bewachen musste) ist noch da und wurde ausgiebig besichtigt. Ansosten haben wir erfahren, dass das in den Medien immer gerne so genannte "luxuriöse Resort-Hotel mit fünf Sternen" derzeit gar keine Sterne hat und auf seine Re-Zertifizierung wartet.
Über die nächste Station der Nostalgietour - den Hafen von Sassnitz - gab es im Zusammenhang mit dem Thema "20 Jahre Wende" nicht viel zu erfahren. Es fand lediglich das übliche Touristenprogramm statt: Fischbrötchen direkt vom Kutter und Schiffsfahrt zu den Kreidefelsen.
Am nächsten Highlight "Kap Arkona" war es dann umgekehrt. Statt der üblichen Leuchtturmbesichtigung und der Wanderung zum Fischerdörfchen Vitt stand hier das Eintauchen in die unterirdische Bunkerwelt des Führungsstabes der 6. Flottille der Volksmarine auf dem Programm. Unter Führung des ehemaligen Polit- und späteren Presseoffiziers Ernst Heinemann, der heute ehrenamtlicher Bürgermeister des Ortes Putgarten (Bündnis für Rügen) ist und gerne auch als der „König von Arkona“ bezeichnet wird. Der umtriebige Macher (der auch der letzte Parteisekretär in der Flottile gewesen sein soll) hat seine eigene Sicht auf die Wende vor 20 Jahren und die aktuelle Weltlage.
Dass Atombunker überall auf der Welt nicht wirklich dem Schutz ihrer Insassen dienen und deshalb abgeschafft gehören, kann man nachvollziehen. Doch seine Position, mit einer alten DDR-Verfassung in der Hand nachdrücklich unterstrichen, dass das DDR-Militär unter keinen Umständen auf das eigene Volk geschossen hätte, würde ich nicht unbedingt teilen. Zum Glück ist der Befehl dazu nicht gekommen und insofern hat Heinemann natürlich recht, dass der gewaltlose Übergang ohne einen einzigen Schuß sicher zu den wichtigsten Leistungen der damals Handelnden gehört.
Trotzdem: Sein Konzept, in den ehemaligen Bunkergängen unkommentiert Fotos, Orden, Schriftstücke, Inventar und Uniformen (einschließlich seiner eigenen) auszustellen, damit sich jeder Besucher selbst einen Reim darauf machen kann, erscheint problematisch. Und es erinnert stark an das NVA-Museum in Prora.
Die letzte Station der Tour in die Vergangenheit war dann aus Zeitgründen (ein Stau auf der Schaabe kostete Unmengen an Zeit) nur im Schnelldurchgang möglich. In Binz konnte man erleben, dass sich aus FDGB-Ferienheimen in Plattenbauweise zumindest äußerlich ganz ansehnliche Hotels machen lassen. Wer allerdings schon mal seinen Urlaub im Inneren des IFA-Parks verbracht hat, wird jedoch die Grenzen dieser kosmetischen Operationen erlebt haben.
Alles in allem hinterlässt die Rügen-Tour zum 20. Wendejubiläum als bei mir ein eher zwiespätiges Gefühl. Ich bin mal auf den Beitrag eines Kollegen vom Deutschlandradio gespannt, der auch den ganzen Tag dabei war und daraus eine Reportage schneidet. Ach ja: Zum Hypethema FKK in der DDR, von einigen Medien groß aufgezogen, wurden auf der ganzen Fahrt gerade mal zwei Sätze gesagt.
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