22.05.09

Ohnesorg-Mörder mit SED-Parteibuch: Merkwürdige Enthüllungen

Ich muss schon zugeben, dass mich die jüngste Enthüllung aus den Kellern der Birthler-Behörde, gestern ziemlich überrascht hat. Ausgerechnet der Westberliner Polizist, der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg am Rande einer Demonstration gegen den Schah von Persien, erschossen hat, soll SED-Mitglied und inoffizieller Mitarbeiter des Ministerium für Staatssicherheit der DDR gewesen sein - damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. Wobei der heute 81jährige Karl-Heinz Kurras, der in Berlin-Spandau lebt, eine Agententätigkeit für die Stasi vehement bestreitet.



Das Foto von damals mit dem Toten ist aktuell gerade in vielen Übersichten zu "60 Jahre Bundesrepublik" zu sehen. Denn der Mord an Benno Ohnesorg trug wesentlich zum Erstarken der Studentenbewegung bei und war ein Wendepunkt in der BRD-Geschichte. Der militante Flügel übernahm das Datum des Todestages sogar in seinen Namen: "Bewegung 2. Juni". Dass der angebliche Spitzel bei seinem Todesschuss im Auftrag der DDR gehandelt haben könnte, behaupten auch die Mitarbeiter der Birthler-Behörde nicht.

Laut deren Akten hat das MfS damals Karl-Heinz Kurras ins Gebet genommen. Seine Darstellung des tödlichen Schusses liest sich dort so:
„Die Situation wurde zu einer reinen Existenzfrage, zu der Frage, ob Leben oder Tod. Aus diesem Grunde hat er so gehandelt. Sein Leben war durch das Angreifen der Radikalen mit einem offenen Messer gefährdet. Der Kurras sagte sinngemäß, daß er sich nichts vorzuwerfen hatte und nichts bereut. (…) Seine Darlegungen zum bekannten Vorkommnis trug er sehr impulsiv vor. Aus der Art und Weise seiner Bemerkungen kann geschlußfolgert werden, daß der Kurras von der Richtigkeit seiner Handlungsweise überzeugt ist, kein Mitleid in irgendeiner Form hat und die Handlungen der anderen beteiligten Personen verurteilt.“
Als Mörder wurde der Waffennarr Kurras nie angeklagt. Selbst vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung sprach ihn die bundesdeutsche Justiz in zwei Verfahren 1967 und 1970 unter Protest der demokratischen Öffentlichkeit frei. Seiner Karriere in der Westberliner Polizei war diese Tat auch nicht abträglich. Kurras ging später zur Kriminalpolizei und und arbeitete in einer Sonderermittlungsgruppe, die nach „Verrätern in den eigenen Reihen“ suchen sollte. Damit hatte man den Bock wohl zum Gärtner gemacht.

Jetzt soll das Verfahren wegen der Schüsse auf Benno Ohnesorg wieder neu aufgerollt werden, da Mord nicht verjährt. Die Berliner CDU hat heute vom rot-roten Senat eine Stellungnahme zu den neuen Erkenntnissen über den Todesschützen verlangt. Das verblüfft mich nun ebenfalls. Denn kann es sein, dass ein Mord anders bewertet wird, wenn der Täter ein SED-Parteibuch hat? Wo bleibt da die Unabhängigkeit der Justiz? 

Entweder sind die bisherigen Verfahren gegen Kurras (wohlgemerkt nicht wegen Mord!), in denen er "mangels Beweisen" freigesprochen wurde, nicht ordentlich durchgeführt worden. Waren sie womöglich sogar politisch gesteuert, um dieses Ergebnis zu bekommen? Oder will man jetzt die Gunst der Stunde nutzen, um dem "Unrechtsstaat DDR" weiter am Zeug flicken zu können? So oder so: Merkwürdig ist diese geschickt terminierte Enthüllung aus der Birthler-Behörde auf jeden Fall.