Nachdem ich mich in den letzten Tagen eher in Prora Süd - der "Touristenmeile" mit Cafés, Museen, Großdisko und Imbissbuden - aufgehalten habe, war gestern ein ausgedehnter Spaziergang in den Nordbereich des insgesamt 4,5 Kilometer langen Gebäudekomplexes angesagt. Dort ist es erheblich ruhiger und selbst der neue Jugendzeltplatz lag gestern nachmittag wie ausgestorben da.
Gelegenheit also, um mir ein paar Gedanken zu Prora zu machen. Ich habe in den letzten Tagen mit einer Reihe von Leuten gesprochen und mir schwirrt der Kopf von den unterschiedlichsten Informationen, die zudem noch sehr widersprüchlich sind. Erst einmal habe ich mich von dem Gedanken "Prora ist ein hässlicher Nazi-Monumentalbau" verabschiedet. Denn die Pläne für eine riesige Bettenburg am Ostseestrand der Prorer Wiek sind schon älter als 1933. Die Nationalsozialisten haben sie später nur übernommen und mit Millionen von Mark, die sie den Gewerkschaften geraubt hatten, umgesetzt. Natürlich im Sinne ihrer Ideologie von der "Volksgemeinschaft" und zur Kriegsvorbereitung.
Zudem war der Kölner Architekt Clemens Klotz, der für die Planung verantwortlich war, von den Ideen der Moderne und des - später von den Nazis vorbotenen - Bauhauses beeinflusst. Das kann man heute noch an der Gestaltung mancher Gebäude sehen. Aber auch die Innenausstattung der Zimmer sollte aus Bauhaus-Werkstätten kommen. Außerdem hat Klotz eine Reihe von architektonischen und ingenieurtechnischen Sachen realisiert, die für die damalige Zeit genial waren. Nicht umsonst ist er dafür auf der Weltausstellung 1937 mit einem Preis ausgezeichnet worden. Und da es an Geld und Arbeitskräften nicht mangelte, wurde ein Bau für die Ewigkeit in den Sand von Prora gesetzt. Mit unzerstörbarem Stahlbeton, einem fünf Kilometer durchgehenden Fundament, Kaianlagen und zum Beispiel Fensterrahmen in den Bettenhäusern, die seit 1939 keinen Anstrich mehr gesehen haben und trotzdem noch voll intakt sind.
Da steht er nun, der "Koloss von Rügen" und die Diskussion über seine zukünftige Verwendung ist - nach zwischenzeitlicher Nutzung als NVA-Kasernen - immer noch in vollem Gange. In der DDR war der ganze Bereich unzugängliches militärisches Sperrgebiet (siehe Karte) und nun gibt es genug Leute, die den Komplex einfach plattmachen wollen. Es handelt sich schließlich um 80 Hektar feinstes Bauland, direkt an einem der schönsten Strände der Ostsee. Doch sämtliche Gebäude stehen aus gutem Grund (siehe oben) unter Denkmalschutz.
Was sich da im Hintergrund abspielt, ist besser als jede Seifenoper. Zumindest wenn ich den Leuten glauben schenke, mit denen ich hier gesprochen habe. In der Rolle des Schurken sind unter anderem Investoren, Immobillienspekulanten und unfähige (oder gar korrupte) Politiker sowie überforderte Beamte beteiligt. Aber auch ein Verleger aus dem Münsterland, der Unterschriften gefälscht haben soll.
Und ein Immobilienentwickler, der zwei Blöcke des Komplexes gekauft hat. Angeblich aus Respekt vor seinem Vater - dem in der DDR sehr beliebten Schauspieler und Arbeitersänger Ernst Busch, der als Kommunist von den Nazis in ein KZ gesperrt worden war. Mittendrin auch noch einige Ex-NVA-Offiziere, die schon sehr lange auf dem Gelände wohnen und hier nicht wegwollen. Dabei kämpft offensichtlich jeder gegen jeden, streut Gerüchte und zerrt sich gegenseitig vor Gericht.
Ich blicke auf jeden Fall dabei nicht durch. Vielleicht sollte ich meinen nächsten Rügen-Krimi in diesem Millieu ansiedeln. Genug Stoff für Mord und Totschlag gibt es hier jedenfalls. Und Wirtschaftskriminalität ist ja auch ein interessantes Thema. Aber jetzt muß ich erst einmal den aktuellen Bratfisch-Fall zu Papier bringen. Auch dort spielt Prora eine wichtige Rolle. Denn das Opfer war hier als Ausbilder in der NVA-Offiziershochschule "Otto Winzer" im Nordflügel tätig. Und der Kommissar hatte in seiner Dienstzeit als Fallschirmjäger in Block 5 einige sehr traumatische Erlebnisse.
Aber zurück ins Jahr 2008. Die Lösung vor Prora könnte in einem Konzept liegen, dass eine Aufteilung des gigantischen Bauwerkes vorsieht. Eine bunte Vielfalt an touristischen Einrichtungen, Kulturintiativen, Museen, Wohnungen, Kleingewerbe usw. Womit man wieder bei Clemens Klotz wäre, dem der Satz zugeschrieben wird, dass man "das Große klein machen" müsse. Deshalb hat er Prora auch so geplant, dass von der Riesenurlaubsmaschine vom Strand aus kaum etwas zu sehen ist. Maximal einen Block hat man im Gesichtsfeld. Nur aus der Luft ist das gesamte Ausmaß der Anlage sichtbar.
Ich kann nur hoffen, dass die düstere Prognose von Eberhard Kauffmann - früher Dozent an der Offiziershochschule der NVA und heute als Guide im Auftrag des Dokumentationszentrums Prora unterwegs - nicht eintrifft. Er befürchtet, dass die Museen in den Gebäuden bis Ende des Jahres geschlossen werden müssen. Denn es ist bereits angekündigt, dass die Mietverträge für nächstes Jahr nicht verlängert werden. Das nette Café Lütlit packt schon Anfang Oktober seine Koffer. Wenn der Rest auch noch schließen muß, wäre das für meinen Regional-Krimi "Aktion Störtebeker" ebenfalls sehr schade. Denn die beiden Kommissare ermitteln unter anderem im NVA-Museum in Block 2.
Gelegenheit also, um mir ein paar Gedanken zu Prora zu machen. Ich habe in den letzten Tagen mit einer Reihe von Leuten gesprochen und mir schwirrt der Kopf von den unterschiedlichsten Informationen, die zudem noch sehr widersprüchlich sind. Erst einmal habe ich mich von dem Gedanken "Prora ist ein hässlicher Nazi-Monumentalbau" verabschiedet. Denn die Pläne für eine riesige Bettenburg am Ostseestrand der Prorer Wiek sind schon älter als 1933. Die Nationalsozialisten haben sie später nur übernommen und mit Millionen von Mark, die sie den Gewerkschaften geraubt hatten, umgesetzt. Natürlich im Sinne ihrer Ideologie von der "Volksgemeinschaft" und zur Kriegsvorbereitung.
Zudem war der Kölner Architekt Clemens Klotz, der für die Planung verantwortlich war, von den Ideen der Moderne und des - später von den Nazis vorbotenen - Bauhauses beeinflusst. Das kann man heute noch an der Gestaltung mancher Gebäude sehen. Aber auch die Innenausstattung der Zimmer sollte aus Bauhaus-Werkstätten kommen. Außerdem hat Klotz eine Reihe von architektonischen und ingenieurtechnischen Sachen realisiert, die für die damalige Zeit genial waren. Nicht umsonst ist er dafür auf der Weltausstellung 1937 mit einem Preis ausgezeichnet worden. Und da es an Geld und Arbeitskräften nicht mangelte, wurde ein Bau für die Ewigkeit in den Sand von Prora gesetzt. Mit unzerstörbarem Stahlbeton, einem fünf Kilometer durchgehenden Fundament, Kaianlagen und zum Beispiel Fensterrahmen in den Bettenhäusern, die seit 1939 keinen Anstrich mehr gesehen haben und trotzdem noch voll intakt sind.
Da steht er nun, der "Koloss von Rügen" und die Diskussion über seine zukünftige Verwendung ist - nach zwischenzeitlicher Nutzung als NVA-Kasernen - immer noch in vollem Gange. In der DDR war der ganze Bereich unzugängliches militärisches Sperrgebiet (siehe Karte) und nun gibt es genug Leute, die den Komplex einfach plattmachen wollen. Es handelt sich schließlich um 80 Hektar feinstes Bauland, direkt an einem der schönsten Strände der Ostsee. Doch sämtliche Gebäude stehen aus gutem Grund (siehe oben) unter Denkmalschutz.
Was sich da im Hintergrund abspielt, ist besser als jede Seifenoper. Zumindest wenn ich den Leuten glauben schenke, mit denen ich hier gesprochen habe. In der Rolle des Schurken sind unter anderem Investoren, Immobillienspekulanten und unfähige (oder gar korrupte) Politiker sowie überforderte Beamte beteiligt. Aber auch ein Verleger aus dem Münsterland, der Unterschriften gefälscht haben soll.
Und ein Immobilienentwickler, der zwei Blöcke des Komplexes gekauft hat. Angeblich aus Respekt vor seinem Vater - dem in der DDR sehr beliebten Schauspieler und Arbeitersänger Ernst Busch, der als Kommunist von den Nazis in ein KZ gesperrt worden war. Mittendrin auch noch einige Ex-NVA-Offiziere, die schon sehr lange auf dem Gelände wohnen und hier nicht wegwollen. Dabei kämpft offensichtlich jeder gegen jeden, streut Gerüchte und zerrt sich gegenseitig vor Gericht.
Ich blicke auf jeden Fall dabei nicht durch. Vielleicht sollte ich meinen nächsten Rügen-Krimi in diesem Millieu ansiedeln. Genug Stoff für Mord und Totschlag gibt es hier jedenfalls. Und Wirtschaftskriminalität ist ja auch ein interessantes Thema. Aber jetzt muß ich erst einmal den aktuellen Bratfisch-Fall zu Papier bringen. Auch dort spielt Prora eine wichtige Rolle. Denn das Opfer war hier als Ausbilder in der NVA-Offiziershochschule "Otto Winzer" im Nordflügel tätig. Und der Kommissar hatte in seiner Dienstzeit als Fallschirmjäger in Block 5 einige sehr traumatische Erlebnisse.
Aber zurück ins Jahr 2008. Die Lösung vor Prora könnte in einem Konzept liegen, dass eine Aufteilung des gigantischen Bauwerkes vorsieht. Eine bunte Vielfalt an touristischen Einrichtungen, Kulturintiativen, Museen, Wohnungen, Kleingewerbe usw. Womit man wieder bei Clemens Klotz wäre, dem der Satz zugeschrieben wird, dass man "das Große klein machen" müsse. Deshalb hat er Prora auch so geplant, dass von der Riesenurlaubsmaschine vom Strand aus kaum etwas zu sehen ist. Maximal einen Block hat man im Gesichtsfeld. Nur aus der Luft ist das gesamte Ausmaß der Anlage sichtbar.
Ich kann nur hoffen, dass die düstere Prognose von Eberhard Kauffmann - früher Dozent an der Offiziershochschule der NVA und heute als Guide im Auftrag des Dokumentationszentrums Prora unterwegs - nicht eintrifft. Er befürchtet, dass die Museen in den Gebäuden bis Ende des Jahres geschlossen werden müssen. Denn es ist bereits angekündigt, dass die Mietverträge für nächstes Jahr nicht verlängert werden. Das nette Café Lütlit packt schon Anfang Oktober seine Koffer. Wenn der Rest auch noch schließen muß, wäre das für meinen Regional-Krimi "Aktion Störtebeker" ebenfalls sehr schade. Denn die beiden Kommissare ermitteln unter anderem im NVA-Museum in Block 2.
|