29.05.09

Map the Fallen: Und jeder hatte einen Namen

Ich erinnere mich noch gut an meine Besuche in der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar zu DDR-Zeiten. Dort wurde den Besuchern zur Einstimmung auf den Rundgang durch das ehemalige Nazi-Konzentrationslager der Dokumentarfilm "Und jeder hatte einen Namen" gezeigt. Die Idee dahinter: Durch die Vorstellung von Einzelschicksalen die anonymen Opferzahlen begreifbarer zu machen. Und das ist recht gut gelungen.

Eine ähnliche Überlegung hatte wohl auch Sean Askay, Google-Mitarbeiter aus San Francisco, mit seinem kürzlich vorgestellten Projekt "Map the Fallen" (auf deutsch: "Bringe die Gefallenen auf die Landkarte"). In mühevoller Kleinarbeit, gestützt unter anderem auf die Datensammlung von icasualties.org, sind dort die bisher gefallenen 5679 NATO-Soldaten - darunter auch Deutsche - der Kriege in Irak und Afghanistan nicht nur aufgelistet, sondern vor allem mit Todes- und Herkunftsort und näheren Angaben aufgeführt. Das Ganze als interaktive Karte auf Google Earth (technische Voraussetzung: Google Earth 5.0 muß auf dem Rechner installiert sein).



Claudia Sommer, die mit Sean befreundet ist, schreibt dazu in ihrem Blog:

Sean hat dieses Projekt 2005 begonnen und nicht nur Daten visualisiert, sondern auch Kontakt zu Angehörigen und Soldaten im Ruhestand aufgenommen.  Er zeigt die Gesichter und die Geschichten hinter der Zahl 5679. Alleine all diese Placemarks zusehen hat mir wirklich die Sprache verschlagen. Natürlich lesen und hören wir täglich von gefallenen Soldaten im “War against terror”, aber seien wir mal ehrlich: Wissen wir wieviele Soldaten bis heute gefallen sind? Wer diese Menschen waren? Die PR-Abteilung des Petagons ist ja eher bemüht diese Geschichten und Bilder aus der öffentlichen Wahrnehmung herrauszuhalten. Der Layer besteht aus 24.000 Placemarks, 6.000 Ordner, 2.500 Bildd-Overlays und zeigt eindrucksvoll den Irrsinn dieses Krieges.
Wobei die gefallenen NATO-Soldaten nur eine Seite dieses Krieges sind. Die Zahl der getöteten irakischen und afghanischen Militärangehörigen ist ungleich höher - von den zivilen Opfern ganz zu schweigen. Die jetzt vorgestellte Goggle-Earth-Anwendung ist allerdings wohl auch nur der erste Teil des Projektes. "Der 2. Part wird sich um die zivilen Opfer drehen. Auch die über 100.000 zivilen Opfer werden ein Gesicht bekommen. Natürlich ist dies etwas schwieriger in der Recherche, denn dazu gibt es selten eine penibel erstellte Datenbasis", weiß Claudia Sommer.

Immerhin der Anfang ist gemacht, um dem Krieg mit Hilfe von Web 2.0-Technologien "ein Gesicht zu geben" und deutlich zu machen, dass hinter den täglichen Pressemeldungen  von Anschlägen und militärischen Auseinandersetzungen immer ganz konkrete menschliche Schicksale stehen. Und vielleicht trägt diese Anwendung ja auch dazu bei, dass die Forderung nach Beendigung der Kriege in Afghanistan und im Irak endlich wieder lauter wird.