15.10.08

Ein Kommissar zwischen allen Stühlen

Der Kommissar Kurt Bratfisch in meinem Rügen-Krimi „Aktion Störtebeker“ soll ja – und das ist eine Besonderheit in der deutschen Regionalkrimi-Landschaft – aktives Mitglied der Linkspartei sein. Deshalb bin ich heute nach Thüringen aufgebrochen, in die Skatstadt Altenburg.

Denn dort ist Frank Tempel Kreisvorsitzender und Bundestagskandidat der Linken, von Beruf ein echter Ermittler bei der Kriminalpolizei in Gera. Derzeit mit dem Schwerpunkt Gewalt- und Sexualverbrechen. Aber er war auch schon in den Bereichen Rauschgift und Wirtschaftskriminalität eingesetzt. Wir haben ein sehr interessantes Gespräch geführt, dass leider (wegen der typischen Bundesbahnverspätung und verpasster Anschlusszüge) kürzer als geplant ausfallen musste.

Frank Tempel sitzt irgendwo zwischen allen Stühlen. Manchen Linken ist er als „Bulle“ suspekt, einige Kollegen haben Vorbehalte gegenüber seiner politischen Einstellung. Insbesondere wenn sie aus dem Westen kommen. Bei den Kriminalisten, die aus DDR-Zeiten übernommen wurden, genießt der aktive Lokalpolitiker dagegen viel Sympathie. Nur selbst engagieren wollen sich heute nur die wenigsten. „Einmal SED hat gereicht, wir gehen in keine Partei mehr“ ist eine Meinung, die nicht selten vorkommt.

Bei Tempel war es genau umgekehrt. Zweimal war sein Aufnahmeantrag in die SED während seiner Lehrzeit als Landmaschinenschlosser wegen mangelnder politischer Reife abgelehnt worden, während angepasste Karrieristen mit Kusshand genommen worden. Und als er schließlich doch sein SED-Kandidatenjahr hinter sich gebracht hatte, fing er sich nicht nur wegen kritischer Äußerungen eine Parteirüge ein. Es gab auch niemand mehr, der ihn an seiner Ausbildungsstätte - der Offiziershochschule der Grenztruppen in Suhl – in die SED aufnehmen wollte. Denn es war inzwischen das Jahr 1989 und die ehemalige Staatspartei löste sich mit riesigen Schritten auf. Während ihr die Mitglieder in Scharen davon liefen, ging der junge Grenzer genau den umgekehrten Weg: Er trat ein, um den Erneuerungsprozess zu unterstützen.

„Vielleicht liegt es daran, dass ich schon immer gegen den Strom von geschwommen bin“, sagt der nachdenkliche Kommissar. Ein Schlüsselerlebnis stellen für ihn die Tage um den 9. November 1989 dar, wo der junge Offiziersanwärter in Berlin direkt am Brandenburger Tor eingesetzt wurde und den Fall der Mauer hautnah miterlebte. „Heute weiß ich natürlich mehr, aber damals war ich davon überzeugt, auf der richtigen Seite des antifaschistischen Schutzwalls zu stehen“, erinnert er sich. Seine Konsequenz aus den Ereignissen: Nie mehr einfach nur kritiklos mitzuschwimmen, sondern sich aktiv zu engagieren.

Das gilt auch für seine berufliche Tätigkeit. Wenn es gilt, einen Straftäter zur Strecke zu bringen und dazu beizutragen, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, scheut der Kriminalbeamte weder Überstunden noch eigentlich unzumutbare Arbeitsbedingungen. „Ein Gewaltverbrechen bleibt ein Gewaltverbrechen, egal wer es verübt“, betont der 39jährige, der in Brandenburg geboren wurde und dem sein Beruf immer noch Spaß macht.

Wenn es notwendig ist, haut er aber auch mal mit der Faust auf den Tisch. Nicht immer zur Freude seiner Vorgesetzten. Unsinnige Vorschriften kann er genauso wenig leiden wie arrogante Besserwessis oder stures Hierarchiedenken. „Da werde ich mich immer dagegen wehren“, ist sich Frank Tempel sicher.

Vieles von dem, was er mir in dem Gespräch in der Altenburger Linke-Geschäftsstelle erzählt hat, wird sich in der Person von Kommissar Bratfisch wiederfinden. Der ist zwar eine Kunstfigur – aber es kann bestimmt nicht schaden, wenn er die Charaktereigenschaften von echten Menschen aus Fleisch und Blut hat.