19.10.08

Die Abrechnung - ein BKA-Insider packt aus



Heute steht in der "Welt am Sonntag" ein großer Bericht über das Debakel der Sicherheitsbehörden am Köln/Bonner Flughafen, bei dem vor einigen Wochen angebliche islamische Terroristen mit großem Aufwand aus einem gerade startenden Flugzeug heraus verhaftet wurden. Dadurch - so hieß es damals - sei man in letzter Minute einem Terroranschlag zuvorgekommen. Inzwischen ist klar, dass an den Vorwürfen nichts daran war und die Verdächtigen sind längst wieder auf freiem Fuß. Nicht ohne erheblichen Ärger, wie zum Beispiel die Kündigung ihrer Wohnung, zu haben.

Das solche Aktionen kein Einzelfall sind, beschreibt Michael Paul von Zittwitz genannt von Wedel in seinem neuen Enthüllungsbuch "Die Abrechnung", das ich gerade lese. Der adlige Autor, der sich auf dem Cover schlicht und einfach Michael von Wedel nennt, ist 1950 geboren und studierte Rechtswissenschaften. 1977 kam er zum Bundeskriminalamt in Wiesbaden und arbeitete als Kriminalkommissar in der Rauschgiftfahndung - zunächst in der Zentrale, dann auf Auslandsposten in Pakistan und Kolumbien. In Pakistan wurde er unter anderem Zeuge, wie bundesdeutsche Geheimdienste - an der Seite der USA - islamistische Kämpfer mit Waffen ausstatteten. Denn die waren ja die "Guten" im Kampf gegen die Sowjetunion und die sozialistische Regierung in Kabul.

2002 wechselte von Wedel zum Staatsschutz und wurde Ermittlungsführer in Sachen islamistischer Terror. Nach den Anschlägen von Bali ermittelte er in Indonesien gegen ein mutmaßliches deutsches Al-Qaida-Mitglied, das als Finanzier islamistischer Terroranschläge galt. Zum Krach und zum Knick in der Karriere des Beamten kam es, als die BKA-Führung Informationen über einen bevorstehenden islamistischen Terroranschlag vertuschte und ihn nach Hause beorderte.

Im Jahr 2003 wurde von Wedel suspendiert, ohne Rentenanspruch in den Zwangsruhestand versetzt, schließlich aus dem Dienst entfernt. Seitdem ein Gericht ihm seine in fast dreißig Dienstjahren erworbenen Pensionsansprüche nahm, nährt sich der ehemalige Sachgebietsleiter von Hartz IV. In seinem Buch - gemeinsam mit einem Spiegel-Korrespondenten verfasst -  wirft er dem BKA vor, es mache bei der Jagd nach islamistischen Terroristen schwerwiegende Fehler. Die Ursache dafür liege im Kompetenzenstreit und der Eitelkeit minderbegabter Vorgesetzter, auch inkompetente Mitarbeiter gebe es zuhauf in der BKA-Terrorfahndung.

Nun sind Rachegelüste, zu denen der Autor wohl allen Grund hat, immer ein schlechter Ratgeber. Aber wenn von den Details, die der Ex-BKA-Fahnder genüßlich auf über 300 Buchseiten ausbreitet, nur 30 Prozent stimmen, ist die Realität im "deutschen FBI" schlimmer als jede Erfindung eines Krimi-Autoren. Auch in meinem Regional-Krimi "Aktion Störtebeker" übernimmt das Bundeskriminalamt die Ermittlungen. Denn das ist im Falle von Terrorismus obligatorisch. Und auch ich schildere die Beamten aus Wiesbaden nicht unbedingt als Sympathieträger. Aber nach der Lektüre von "Die Abrechnung" muss ich die Charaktere wohl noch viel fieser zeichnen. Denn schließlich will ich nicht hinter der Wirklichkeit zurückstehen.