16.09.09

Hörfehler beim Sauerland-Prozess und Neonazis im Terrorcamp

Darüber könnte man noch Schmunzeln: Laut bild.de soll die zur Zeit in Düsseldorf vor Gericht stehende "Sauerland-Gruppe" auch ein Sprengstoff-Attentat auf den Papst geplant haben. Andere Prozess-Beobachter wie der darüber kontinuierlich bloggende "ARD-Terrorismusexperte" Holger Schmidt haben von diesem schlagzeilenträchtigen Geständnis allerdings nichts mitbekommen.

Des Rätsels Lösung: Der Berichterstatter der Nachrichtenagentur ddp hat sich offensichtlich verhört. Der Hauptangeklagte sprach von "Pubs" als möglichem Anschlagsziel, nicht vom Oberhaupt der katholischen Kirche. Für bild.de ist das allerdings kein Grund zur Korrektur der Sensationsmeldung. Hauptsache die Schlagzeile macht schön Stimmung.

Keine Meldung in den meisten bundesdeutschen Medien ist dagegen die Nachricht wert, dass sich offensichtlich bundesdeutsche Neonazis in einem Terrorcamp in Ungarn militärisch drillen lassen. Nachdem die junge welt vor ein paar Tagen darüber berichtet hatte, sind jetzt auch die Behörden in dem Land aufgewacht und ermitteln gegen die braunen Terroristen. Die konnten bisher unbehelligt das Töten von Menschen trainieren und bis heute auf YouTube dafür sogar werben.
Das Camp fand vom 10. bis 14. Juli 2009 in einem privaten Waldgebiet unweit der westungarischen Stadt Györ statt. Fotos der Veranstaltung zeigen eine größere Zahl uniformierter und mit Maschinenpistolen bewaffneter Neonazis beim paramilitärischen Training. Neben Exerzier-, Gelände- und Schießübungen wurde die Erstürmung von Häusern geprobt. 
Hinter dem Terrorcamp steckt Ungarns älteste Neonazi-Gruppe, die Magyar Nemzeti Arcvonal (MNA, Ungarische Nationale Front) und ihre Jugendorganisation „Vándorsólyom“ (VTE, Wanderfalke), die gleichzeitig den paramilitärischen Arm der Organisation bildet. Die MNA bezeichnet sich als "Eliteformation auf nationalsozialistischer Grundlage“. 

Mögliche Verbindungen der MNA zur deutschen Neonaziszene, die bei der aktuellen Debatte in den ungarischen Medien eine große Rolle spielen, sind derzeit Gegenstand von zwei parlamentarischen Anfragen im Bundestag, die von der stellvertretenden Parlamentspräsidentin Petra Pau (Die Linke) eingereicht wurden. Sie will unter anderem wissen, ob Deutsche an den ausländischen Terrorcamps teilgenommen haben. Ungarische Zeitungen bezeichnen die MNA-Funktionäre Róbert Lajdi und Károly Dobszay als „Verbindungsmänner zu den nationalradikalen Gruppierungen in Deutschland“. Sie sollen sowohl die ungarische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.

So ganz falsch ist die Neonazi-Spur in "Aktion Störtebeker" also nicht. Und so eine Ausbildung macht auch niemand nur so aus Spaß mit. Irgendwann wollen diese aufgeputschten Glatzköpfe ihr erlerntes militärisches Wissen auch einsetzen. Es macht schon Angst, wenn die schriftstellerische Phantasie von der Realität immer wieder eingeholt wird.